Artikel von Michael Grottendieck; WN Ausgabe Hiltrup am 11. Juli 2022
Für diese Worte kam er ins KZ: „Dem, der die Hilfe am nötigsten hat.“ So hat Bernhard Poether geantwortet, als er in einem Verhör gefragt wurde, wem er zuerst helfen werde. Einem Deutschen oder einem Polen? Einem Angehörigen des eigenen Volkes oder einem Angehörigen eines Landes, das Nazi-Deutschland am 1. September überfallen hatte?
Die Worte Bernhard Poether sind seit einigen Tagen auf großen Bannern an den Kirchen der Pfarrgemeinde St. Clemens zu sehen. Die Gemeinde begeht ein besonderes Gedenkjahr: der bevorstehende 80. Todestag am 5. August im KZ Dachau und am 17. Dezember der 90. Jahrestag der Priesterweihe.
Ein Kind der Gemeinde
Um diese besondere Festzeit zu eröffnen, habe die Gemeinde Bischof Dr. Felix Genn nach Hiltrup eingeladen, sagte Pfarrer Mike Netzler in seinem Begrüßungsworten. „Es geht um das Lebens- und Glaubenszeugnis eines Gemeindekindes.“ Ein Lebenszeugnis, das der Pfarrer als beispielhaft hervorhebt.
Bischof Genn ist bereits zum dritten Mal bei verschiedenen Gedenktagen von Kaplan Poether in Hiltrup. Er dankt der Gemeinde und namentlich – und wiederholt – Ewald Spieker, das Andenken an diesen Priester wachzuhalten. In seiner Predigt geht Bischof Genn ausführlich auf das Evangelium des Sonntags, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, ein. Ein Mann ist unter die Räuber geraten. Und Jesus erzählt zunächst, dass sowohl ein Schriftgelehrter wie auch ein Priester achtlos an dem Mann vorbeigehen, der hilflos am Straßenrand liegt. Hilfe kommt von einem, der fremd ist, den man meiden muss, weil er dem Volk der Samariter angehört.
Bischof äußert sich zum Missbrauch
„Er sah ihn und ging vorüber.“ Der Bischof kommt in diesem Zusammenhang auf den Missbrauch im Bistum Münster zu sprechen. Am meisten schmerze ihn, so bekennt er, dass nirgendwo in den schriftlichen Akten etwas davon stehe, dass den Verletzten geholfen worden wäre. „Man sah sie und ging vorüber.“
Anders die Aufforderung: „Geh hin und handle genauso!“ Bischof Genn ist sich sicher, dass „jeder von uns“ schon einmal barmherziger Samariter gewesen sei. „Wir alle haben diese Weisung auch befolgt.“ Beispielhaft verweist er auf die Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Auch das Lebenszeugnis Bernhard Poethers sei ein Beispiel dafür, wie die Weisung Jesu befolgt wurde, hebt der Bischof hervor. Was das in letzter Konsequenz bedeuten könne, zeige sein Lebensschicksal.
Kaplan Poethers letzter Brief
Als der letzte Brief, den Bernhard Poether wenige Tage vor seinem Tod geschrieben hatte, in der Kirche verlesen wurde, wurde es still. Man hätte die sprichwörtliche Nadel fallen hören. Die Zeilen enden mit der Bitte, dem nächsten Brief bitte ein Taschentuch beilegen zu wollen. Er persönlich sei der Meinung, dass Bernhard Poether einer Seligsprechung würdig sei, hatte Pfarrer Netzler eingangs gesagt. Der Bischof vermied es zwar, einen Zwischenstand zum Antrag der Gemeinde auf Seligsprechung zu geben. Vor der neu gestalteten Grablege in der Tabernakel-Kapelle betete der Bischof das Gebet für die Seligsprechung Kaplan Poethers.
Sichtlich angetan
In persönlichen Worten erklärt der Bischof später, wie bewegend es für ihn sei, den Kelch in den Händen zu halten, auf dem die Marterwerkzeuge zu sehen sind. Kaplan Poether habe gewusst, worauf er sich mit seinem Engagement für die slawischen Völker eingelassen habe. Nach dem Gottesdienst segnete der Bischof das „Bernhard Poether-Haus? ein. So heißt das Haus, in dem Pfarrbüro und die Arbeitsräume der Hauptamtlichen untergebracht sind. Es befindet sich neben dem Pfarrzentrum St. Clemens.
Beim anschließenden Empfang mischte er sich unter die Gäste und verabschiedete sich später – sichtlich angetan – zur Weiterfahrt in seine Heimatgemeinde Wassenach in der Eifel. Aus Wassenach und dessen Nachbarort kommen ebenfalls zwei Priester, die 1942 im KZ Dachau starben. Sie hatten den sogenannten Deutschen Gruß verweigert, als Reichsmarschall Göring im Sommer 1940 plötzlich in einem Ausflugslokal am Laacher See auftauchte.
Anmerkungen
In "Kirche und Leben" ist dieser Artikel über den Besuch des Bischofs erschienen: kirche-und-leben.de/artikel/bischof-genn-ueber-kaplan-poether-ein-vorbild-fuer-die-barmherzigkeit
Text der Predigt im Format Microsoft Word