(WN Ausgabe Münster-Hiltrup am Freitag 10.06.2022, von Michael Grottendieck)
Wenn es um die Rolle der Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, ist das Interesse und die Diskussionsbereitschaft groß. So sprach Prof. Dr. Markus Köster, Leiter des LWL-Medienzentrums, vor „vollem Haus“ im Alten Pfarrhof.
Köster war auf Einladung des Arbeitskreises Bernhard Poether nach Hiltrup gekommen. Zuletzt hatte er etwas erreicht, was auch für einen Historiker nicht alltäglich ist: Aufgrund seiner Studien über Schwester Laudeberta, der geheimen Informantin Kardinal Graf von Galens, wird jetzt ein Aaseitenweg nach der beherzten Clemensschwester benannt. Möglicherweise hat sie viele Menschen in den Heil- und Pflegeeinrichtungen vor dem sicheren Tod bewahrt.
Kirche hat zu oft geschwiegen
Die katholische Kirche als Hort des Resistenz, womöglich sogar des Widerstandes in der NS-Zeit – dieses Selbstbild hat der Katholizismus lange Zeit allzu gerne gepflegt. In Münster hatte man mit Graf von Galen einen Kirchenführer, der den Nazis tatsächlich offen die Stirn bot.
Dass die katholische Kirche viel zu selten das Wort erhoben hatte, hat der spätere erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, bereits 1946 nüchtern analysiert, wie Moderator Gisbert Strotdrees in seiner Begrüßung betonte.
Markus Köster plädierte für eine differenzierte Sichtweise: So bedeutsam die Rolle von Galens gewesen sei, da er sich nicht auf das Zurückweisen von Angriffen auf die Kirche beschränkte, umso problematischer waren das Schweigen zur Judenverfolgung oder seine Worte zum Zweiten Weltkrieg.
Rolle Kaplan Poethers
Zur Rolle Kaplan Poethers steuerte der Referent freilich wenig Neues bei. Dafür arbeitete er die großen Linien umso deutlicher und souveräner heraus, in denen auch Poethers Eintreten für polnisch sprechende Gemeindemitglieder in Bottrop zu Kriegsbeginn zu sehen ist.
Anmerkung
(dieser Text lud zum Vortrag ein)
Vor zwei Jahren, 2020, hat sich die Deutsche Bischofskonferenz mit einem bemerkenswerten Satz zu einer Mitverantwortung der katholischen Kirche am Vernichtungskrieg des „Dritten Reiches“ bekannt. Der Satz lautete: „Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ‚Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg.“
Diese Aussage überrascht, war doch das Selbstbild des deutschen Katholizismus lange von der Vorstellung geprägt, ein Hort des Widerstands gegen die NSDAP und das NS-Regime gewesen zu sein. Das galt umso mehr für Westfalen, wo Münsters Bischof von Galen 1941 durch seinen öffentlichen Protest gegen Klostersturm und Euthanasie zum Symbol kirchlicher Widerständigkeit gegen die Verbrechen des NS-Regimes wurde.
Prof. Dr. Markus Köster wird in seinem Vortrag, mit Fotografien und Filmausschnitten illustriert, die Entwicklung des komplexen Verhältnisses von katholischer Kirche und Nationalsozialismus in Westfalen nachzeichnen. Köster wird dabei auch die kontroversen Debatten nach 1945 um die Rolle des Katholizismus im NS-Staat zwischen Kollaboration und Widerstand in den Blick nehmen.
Zum Referenten: Prof. Dr. Markus Köster ist Zeithistoriker und leitet das LWL-Medienzentrum für Westfalen in Münster. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte des Katholizismus in Westfalen. Zuletzt hat er über die Clemensschwester Laudeberta geschrieben, die Bischof von Galen 1941 über die bevorstehenden „Euthanasie“-Transporte von Patienten der Klinik Marienthal informiert hat.