Samstag, 4. Juni 2022; WN NR. 129; Autor: Michael Grottendieck (WN)
Bernhard Poether: 90. Jahrestag Priesterweihe – 80. Jahrestag Tod im KZ Dachau
Zwei besondere Gedenktage an Kaplan Bernhard Poether hält der Kalender in diesem Jahr parat. Anlass genug für eine kleine Erinnerungsreihe „Bernhard Poether: 90. Jahrestag Priesterweihe – 80. Jahrestag Tod im KZ Dachau“.
Außerdem ist soeben eine Reisegruppe aus Berlin zurückgekehrt, die sich auf Einladung des Arbeitskreises Bernhard Poether auf den Weg zum ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen gemacht hatte.
Berlin im Sommer 1936: Es ist die Zeit der Olympischen Spiele, als nur 35 Kilometer nordwestlich von Berlin ein Konzentrationslager eines völlig neuen Typus aus dem Boden gestampft wird. Wenn Ende der 1930er-Jahre von den gefürchteten Konzentrationslagern die Rede ist, dann sind damit die drei Orte Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald gemeint. Wenige Monate nach seiner Festnahme am 22. September 1939 landet Kaplan Poether im Lager Sachsenhausen.
Das war Ende Februar 1940. Im April 1941 kommt er nach Dachau, wo inzwischen die Mehrzahl der in Konzentrationslagern inhaftierten Priester, vornehmlich Polen, untergebracht ist.
Berlin und Oranienburg sind die Ziele einer dreitätigen Reise, zu der der Arbeitskreis Bernhard Poether der Pfarrgemeinde St. Clemens eingeladen hatte. Pfarrer Ewald Spieker und Elisabeth Georges hatten die Organisation übernommen. Es ist eine Begegnung mit tiefschwarzen Spuren der deutschen Geschichte, das ist jedem klar.
Das touristische Programm kommt dennoch nicht zu kurz. Gleich nach der Ankunft führt eine junge Studentin aus Hiltrup, die demnächst zur Schauspielschule in Hamburg wechselt, die Gruppe um die fußläufig gelegene Museumsinsel sowie zu den Hackeschen Höfen.
Der Bereich um das Brandenburger Tor und das Reichstagsgebäude wird am nächsten Tag zu Fuß erkundet. Eine aufschlussreiche Stippvisite galt der Gemeinde St. Mattias, in der der spätere Bischof von Galen zehn Jahre als Pfarrer tätig war. Fast noch spannender als die Vergangenheit ist die Gegenwart der Gemeinde, wie Dr. Josef Wieneke eindrucksvoll berichtete.
In Sachsenhausen begegnet man noch vor dem Eintritt ins Lager einer Vielzahl einzelner Gedenksteine. Besonders markant ist ein auf dem Boden liegendes Kreuz, das so wirkt, als wäre es aus einem Granitstein „rausgefallen“. Über 700 Priester aus acht Nationen litten, hungerten, ertrugen Folter und durchlebten Krankheiten, Verzweiflung und Todesangst. 97 von ihnen starben in Sachsenhausen, weitere 241 nach ihrer Deportation im einstigen KZ Dachau und anderen KZ. An sie wird an dieser Stelle erinnert. Die Einweihung erfolgte 2006, die Anregung geht auf Papst Johannes Paul II. zurück.
Einige aus der Gruppe bitten die Mitarbeiterin der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, ihnen die Schilderung von Details zu ersparen, wie die Häftlinge gequält und ermordet wurden.
Unerwähnt dürfen dennoch die medizinischen Versuche an Häftlingen, die Zwangsarbeit, die Massentötungen etwa in der getarnten Genickschussanlage oder in der Gaskammer nicht bleiben.
Detaillierter wird die Schilderung der Schuhprüfstrecke – eine Besonderheit, um Häftlinge zu quälen. Die Ausführungen, wie Häftlinge tagelang mit schwerem Gepäck in wiederverwerteten, oftmals zu kleinen Schuhen über unwegsames Gelände zu marschieren hatten, hinterlassen tiefen Eindruck.
Homosexuelle Häftlinge, so erklärt die Mitarbeiterin der Gedenkstätte, seien gezwungen worden, Stöckelschuhe zu tragen.
Bernhard Poether hat ein Jahr lang im Lagergefängnis, dem Zellenbau, in einer Einzelzelle zugebracht. Beim Lagergefängnis handelt es sich um ein besonders abgeschirmtes und bewachtes Gebäude – eine Art Hochsicherheitstrakt.
Ein Teil des einstmals T-förmigen Gebäudes wurde zu Beginn der 1960er-Jahre vor dem Verfall gerettet.
Im Bunker saßen die Menschen ihre Strafen ab. Monatelang wurden sie in Dunkelarrest gesteckt, mit Essensentzug, körperlich gezüchtigt, gequält, mit Peitschenhieben bestraft, tagelang mit rückwärts verdrehten Armen an Pfähle gehängt. In einzelnen Zellen wird heute einiger besonderer Opfer gedacht. Etwa Georg Elser, dessen Attentat auf Hitler am 9. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller fehlschlug.
Oder Martin Niemöller, evangelischer Pfarrer und legendärer U-Boot- Kommandant im Ersten Weltkrieg, der als Vertreter der Bekennenden Kirche in Opposition zum NS-Regime geriet. Namentlich erwähnt werden die beiden polnischen katholischen Bischöfe Marian Fulmann und Wladyslaw Goral, ebenso Rupert Meyer, der bekannte Jesuitenpater aus München.
Was Kaplan Poether in Sachsenhausen alles durchgemacht hat, liegt im Dunkel der Geschichte. Einem Mithäftling in Dachau hat er lediglich anvertraut, es sei für ihn „die größte Qual“ gewesen, „ohne jede Lektüre immer ganz allein in der Zelle zu verweilen“. Wenn es das nur gewesen wäre! Selbst Martin Niemöller, der als „Ehrenhäftling“ Privilegien besaß, schwieg über die Folterungen anderer Häftlinge im Zellenbau. Dabei erlebte er aus nächster Nähe mit, was geschah. Nach seiner Befreiung äußerte Niemöller im Rückblick lediglich: „Und wenn man mich fragt: War es wirklich so schlimm? Dann kann ich nur sagen: Es war tausendmal schlimmer.“
Der Arbeitskreis hat jetzt alle Lebensstationen besucht
Und das alles nur in 36 Lebensjahren: Datteln – Horstmar – Hiltrup – Münster – Freiburg - Südkirchen – Gelsenkirchen-Buer – Krakau - Ciciena – Gladbeck-Zweckel – Bottrop-Batenbrock – Sachsenhausen – Dachau lauten die Orte, an denen Bernhard Poether gelebt hat.
Der Arbeitskreis Poether der Gemeinde St. Clemens hat in den 13 Jahren seines Bestehens die wichtigsten Lebensstationen Bernhard Poethers besucht.
2017 ging es nach Dachau bei München, bereits 2009 ins polnische Ciciena, 2014 zum Kloster Marienthal in Hamminkeln. Mit einigen Gemeinden im Ruhrgebiet, insbesondere mit St. Joseph in Bottrop, entstand über die Jahre ein reger Austausch.
Die Fahrt zum Konzentrationslager Sachsenhausen, in dem Poether ein Jahr in Einzelhaft gefangen war, war ursprünglich für das Jahr 2020 geplant – exakt 80 Jahre nach Bernhard Poethers Überstellung in das KZ. Diese Reise ist jetzt nachgeholt worden. -gro-